Nachdem ich hier nun so viel Kritisches und zum Teil sogar Zorniges über Muslime gesagt habe, sollte ich auch einmal von der Kehrseite berichten „auditur et altera pars“.
Da ist zunächst mal unsere gemeinsame Freundin M. Sie ist eine glaubensfeste Muslima, aber sie trägt kein Kopftuch. Sie ist auch Muslimen gegenüber kritisch, aber sie ist stets auf der Seite ihrer Glaubensgeschwister, wenn diese von ungebildeten Randalikern angegriffen oder nicht verstanden werden – was hier in Deutschland und in Europa überhaupt leider nicht selten ist. Denn allzu oft wird der Islam mit dem wüsten Gehaben der untergehenden Neunmalfrommen und ihren Verbrechen gleich gesetzt. Wer hingegen M. hört, der vernimmt etwas von einem Islam, der in unsere moderne Welt passt und sich dennoch niemals selbst aufgibt. Nein, M. ist nicht „liberal“ – sie isst kein Schweinefleisch und trinkt selbst zur Gesellschaft keinen noch so schwachen Alkohol. Ob sie regelmäßig betet, weiß ich nicht, aber sie wird schon wissen, ob und wann und wie sie Allah erreicht, nachdem sie sich von seiner Güte und Weisheit selbst überzeugen konnte. Im Übrigen ist sie eine kluge, am Lauf der Welt höchst interessierte Frau und eine gute Mutter.
Da ist ein Perser, mit dem ich ins Gespräch komme und es dauert keine zwei Sekunden, da sind wir schon mitten in unserem jeweiligen Alltag angekommen. Keine Spur von Ressentiments auf seiner Seite und natürlich auf meiner auch nicht. Dies Gefühl des „Wir kennen einander doch“ hält sich auch den beiden anderen Muslimen gegenüber, mit denen ich kurz zusammentreffe: ein jüngerer, mit dem ich gleich auch ein bisschen Seelsorge treiben kann, denn er scheint mir ziemlich frustriert über die Menschen hier zu sein – ich kann ihn verstehen. Und da ist der Mann in der Bank, der mich vorlässt mit der Begründung „man solle Respekt vor dem Alter haben“ dabei ist er selbst auch nicht mehr jung. Ich habe seinen Vorschlag übrigens abgelehnt, so schlimm steht es denn doch noch nicht um mich. Und da ist A., ein Muster an Höflichkeit und wahrlich ein Vorbild für manchen Muslim, der es mit der Höflichkeit nicht allzu genau nimmt, sondern auf die Ungläubigen einpredigt und die beleidigt, die er doch braucht um sich zu produzieren.
Unhöflichkeit habe ich wenn überhaupt von muslimischer Seite bisher nur von pubertierenden Jugendlichen erfahren – wo die wohl ihren Religionsunterricht besuchen und was man ihnen dort wohl erzählt? Und ich sehe die verschlossenen Gesichter der Alten auf der Neuköllner Hauptstraße, Männlein wie Weiblein, ganz so, als müssten sie einen gefährlichen Weg wagen, auf dem sie alle ihre Kräfte für sich selber brauchen.
Aber ich sehe auch die lachenden Gesichter der Mädchen und jungen Frauen unter ihren Kopftüchern, die sie elegant gelegt tragen wie modische Frisuren. Ich sehe, wie die junge „unterdrückte“ Frau ihrem Mann Anweisungen gibt, die er in gehorsamer Haltung hinnimmt. Das erinnert mich wieder an Ägypten, an Fatihs Mutter, vor der die Familie stamm stand. Und Fatih war nicht brav… überhaupt nicht. Ich erinnere mich an Isas Onkel – die Freundlichkeit selbst, aber eine Ausstrahlung, die noch kilometerweit zu spüren gewesen sein konnte – das war auch in Ägypten.
Und überhaupt: ich erlebe es beinahe jeden Tag von Neuem, dass der Islam weitaus besser ist als sein Ruf in den Medien, ich erlebe es an den Menschen, die er geformt hat. Ich verleugne seine Defizite nicht, aber hat die nicht auch jede andere Religion? Man kann das siebente Jahrhundert nicht ins einundzwanzigste hereinholen, dabei bleibe ich, aber Islam so wie ich ihn hier erlebe, hat nichts zu tun mit Kamelrückenromantik. Ich muss auch nicht dazu gehören, um das, was ich erlebe, größtenteils als angenehm zu empfinden. Umso abstoßender freilich sehe ich die Gewalttaten und Überheblichkeiten von Menschen an, die sich Muslime nennen. Nun, andererseits – welche Religion hat nicht auch ihre Psychopathen? Sind sie das Maß der Dinge? Nein, das sind sie nicht. Aber vor ihnen zu warnen und das auch ausdrücklich und nachdrücklich, ist Bürgerpflicht, eben weil das Eigentliche durch sie nicht in Verruf geraten darf. Der Friede mit Gott, den ein Muslim hat, sollte auch den Nichtmuslimen so viel wert sein, dass er ihn gegen Missbrauch schützt. So will ich das verstanden wissen, was ich schrieb – nicht als Angriff auf etwas, das ich zwar nicht teile, aber respektiere und zuweilen sogar lieben kann.