Wenn der Mensch geboren wird, wird er in eine Gemeinschaft hinein geboren, die nichts von „höherer Bestimmung“ vermuten lässt. Er wird aufgezogen zu einem Leben, in dem nichts, aber auch gar nichts wirklich und handgreiflich auf eine höhere Qualität des Lebens hinweist, als er sie innehat. Eher noch kann es geschehen, dass er sich sozial schlechter gestellt findet, als es die Haustiere der Gesellschaft sind, in die er hineingeboren wurde.
Auf dem Weg zum Erwachsenenleben erfährt der Mensch seinesgleichen als redlich, tiefgründig, gewissenhaft, achtsam und liebevoll ebenso wie als lügnerisch, betrügerisch, bis in die Grundfesten korrupt und im höchsten Grade egoistisch und leichtfertig. In dieser Zeit schaut der Mensch sehr genau hin, welche Verhaltensweisen in seiner Umgebung die größte Aussicht darauf haben, in ihr akzeptiert zu sein und diese Verhaltensweisen macht er sich dann gewöhnlich zu eigen. Wird er durch divergierende Verhaltenskodizes zur Entscheidung gezwungen, wird er jenen Eigenschaften den Vorzug geben, die ihm einen größeren Wirkungskreis innerhalb seines Umfeldes verheißen. Das bedeutet: ein moralisch einwandfreies Umfeld, das er in seiner Familie und Verwandtschaft vielleicht erfährt, wird verlassen, wenn ein korruptes Umfeld im weiteren Kreis bessere Entfaltungsmöglichkeiten verspricht. Vollends katastrophal reagiert der Mensch in diesen Tagen, wenn er herausfindet, dass ein moralisch einwandfreies familiäres Umfeld in Wahrheit auf kollektiver Heuchelei beruht, oder wenn die vermittelten Inhalte seiner Erziehung sich auch im weiteren Feld zum Beispiel der schulischen Ausbildung als Fassade herausstellen. Angesichts solcher Erfahrungen wird der Mensch dann zum Protestler. Er wird es nicht, weil er den Wunsch hätte, sich etwa selbst ethisch einwandfrei zu verhalten, er wird es allein aufgrund der Tatsache der Divergenz zwischen Wort und Tat. Aus diesem – weit mehr als pubertären – Protest können sich nun die verschiedensten Lebensplanungen ergeben. Das Spektrum reicht von offen (legal[1] oder illegal) kriminell bis zum totalen Rückzug aus der gesellschaftlichen Sphäre in ein mehr oder weniger illusionäres „Idyll des Privatlebens“. Dies tut er, wo immer es ihm zu tun möglich ist, also auch unter wirtschaftlich drückenden Umständen. Dabei ist der Rückzug als der Weg des geringsten Widerstandes der meist beschrittene. Das Ideal einer Fassaden – Gesellschaft ist der Spießer, dessen Denken und Fühlen in Allgemeinplätzen und dessen Tun in Konsum aufgeht[2]. Nur sehr selten treffen wir in gesellschaftlichen Umfeldern auf Menschen, die bewusst und vor allem konstruktiv an der Verbesserung der Lebensumstände als solche arbeiten und arbeiten wollen. Sie stellen die bei weitem kleinste Gruppe und um ihre Effizienz ist es im Allgemeinen auch schlecht bestellt, da ihnen von allen Seiten entgegen gearbeitet wird. Denn der Mensch hängt vor allem an jenen Verhaltensmodellen, die ihm unmittelbaren Erfolg bescheren und er ist wenig geneigt, bei der Inanspruchnahme von Vorteilen Geduld walten zu lassen.
Alles was ich im Folgenden sagen werde, ist nun vor diesem Hintergrund zu sehen und zu werten. Denn dieser gilt für alle und von allen sich derzeit auf diesem Planeten ereignenden Prozesse insofern sie den Menschen betreffen und er bezieht, indem er den Menschen betrifft, auch jede Menge anderer Prozesse mit ein, man denke an den Raubbau, den die Altkommerzialisten weiterhin bedenkenlos an den globalen Ressourcen betreiben und an die Unbedenklichkeit und Oberflächlichkeit von vorgeblich modernen, „ökologischen“ Kommerzialisten mit denen sie diverse technische „Errungenschaften“ realisieren[3] und dabei unter der Hand fröhlich und mit ungebrochenem, frommem Optimismus (Gott wird’s schon richten) Flora und Fauna dieses Planeten vernichten. Witzig daran ist, dass die meisten dieser ökologischen Kommerzialisten zwar entweder Esoteriker oder Atheisten sind, aber hierin ein geradezu pietistisch anmutendes Gottvertrauen beweisen. Ihnen allen aber, Alten wie Neuen, geht es nicht um wirkliche gesellschaftliche und ökonomische Alternativen und schon gar nicht um eine neue Ethik, sondern schlicht um die Frage, welche Art von Kommerz länger „durchhalten“ kann. Eine Möglichkeit, was man jenseits der Grenzen des Kommerzes tun könnte, sehen beide nicht. Entsprechend sind sie beide und alles, was zwischen ihnen einmal hierin, einmal dorthin pendelt, weltsüchtig.
Die Gegenbewegung hierzu verdient eigentlich den Namen einer Bewegung nicht. Erstens deshalb nicht, weil sie, wo nicht durch die Umstände erzwungen, ein Ressort für Minderheiten ist, zweitens, weil sie nirgendwo ein Bedürfnis zeigt, sich zu einer Bewegung zu vernetzen, sondern jeder und jede Gruppe für sich ihren mehr oder weniger praktikablen Idealen frönt. Sicher – es gibt überall und in jedem gesellschaftlichen Segment Aussteiger, die sich bewusst vom kommerziellen Mainstream entfernt haben und ihr eigenes Schicksal teilweise mit beachtlichem Erfolg selbst in die Hände nahmen, aber man hat noch von keiner Region auf Erden gehört, die sich auf diese Art und Weise als Nation etabliert hätte. Über die Existenz von meist kleinen Siedlungen sind diese Konzeptionen bisher nicht hinaus gelangt und ihr entschiedener Individualismus hindert sie daran, jemals weitergehende Wirkungsbereiche zu erobern. Sie entschuldigen diesen Mangel oft damit, dass die Kommerzialisten aller Couleur sie behindern würden; das ist nur sehr bedingt wahr, denn wenn ihre Technologien und ihre Ethiken wirklich so fundamental wären wie sie zu sein behaupten, würde es keiner kommerziellen Struktur auf Erden jemals gelingen, sie auszuhebeln. Aber – sie sind nun einmal, wie ausgenommen sie sich selbst auch sehen, ebenfalls von der kommerzialistischen Gesamtstruktur der menschlichen Gemeinschaft abhängig. Ihre „Weltflucht“ ist nur bedingt realisierbar. Sobald sie ihren unmittelbaren Lebensraum verlassen, sind sie auf die zweifelhaften Segnungen der kommerzialistischen Zivilisation angewiesen. Ihre Modelle, wie Tauschwirtschaften, Autarkie, Autonomie, eigene monetäre Modelle, funktionieren in größerem Maßstab einfach nicht mehr.
Denn: bewusste Weltflucht kann per se in der Welt der Menschen nicht großflächig funktionieren, sie kann immer nur für den Einzelnen relevant sein und bleiben, sie ist nun einmal nicht gesellschaftsfähig und schon gar nicht gesellschaftsbildend. Auch die christlichen und die anderen Orden sind keine Gegenstrophe zu dieser Feststellung, denn sie können in vielen Einzelheiten nicht als weltflüchtig bezeichnet werden und sei es nur deshalb, weil sie, wie einige hinduistische Orden, ihren Angehörigen den Gebrauch von Haschisch nicht nur gestatten, sondern sogar empfehlen: Haschisch aber ist als Betäubungsmittel wie auch nur als Pflanze, Teil der Welt sowohl in ihrer Ursache als auch in ihrer Wirkung, mit der sie sich auf den organischen Komplex Mensch bezieht. Weltflucht bedeutet die Zurücknahme der Evolution, was den Faktor Mensch betrifft und wie wir alle wissen, lässt Evolution sich zwar unendlich modifizieren, aber zurücknehmen lässt sie sich nicht. Die Organismen, welche nach dem Untergang der Saurier entstanden, waren nicht wiederum die Organismen des Präkambrium, sondern ganz andere, die zwar mit den Sauriern gleichzeitig entstanden waren, aber nun ihre große Stunde erlebten und wenn der Mensch diese Welt verlässt, werden auch die übrigen Säugetiere ihrem Schicksal entgegen eilen und was an ihre Stelle treten wird, kann niemand sagen. Unser wahrscheinlicher Nachfolger immerhin ist schon in Wartestellung: der Menschenaffe. Nachdem der Mensch es geschafft haben wird, sich wegen fortgesetzter Weltsucht selber auszurotten, nachdem er an einer Überdosis kommerzialisierter Zivilisation erstickt sein wird, wird der Schimpanse mit seinen Nebenlinien unsere Nachfolge antreten und man kann gespannt sein, ob er es zu besseren Ergebnissen bringen wird.
Weltflucht ist gesamtgesellschaftlich nicht praktikabel und Weltsucht führt, wie jede Sucht, in den sozialen und körperlichen Untergang. Denn dies eine unterscheidet die Weltsucht vom distanzierten Gebrauch der Güter dieser Erde: dass sie keine alternative Welterfahrung hat, dass sie ganz und gar in dem gefangen ist, was diese Erde aus sich selber hervorzubringen imstande ist – oder eben nicht. Nun verlangt aber anscheinend Gnosis genau dies: Weltflucht. Da sie sich nicht an eine Gesellschaft wendet, sondern an Individuen, scheint dieses Anliegen berechtigt zu sein. Denn das Fernziel der Gnosis soll sein, so sagt man, das Ende dieser Welt herbei zu führen und dies zu erreichen soll der Mensch sich immer mehr und gründlicher von ihr zurückziehen bis in die totale Einsamkeit – so könnte man die Ideengeschichte der Gnosis jedenfalls lesen und so ist sie denn – auch von Menschen, die sich Gnostiker nannten – auch gelesen worden. So ist sie aber vor allem von Christen gelesen worden, in deren Denken der Weltuntergang als Schauplatz einer überirdischen Gerechtigkeit eine überragende Rolle spielt. Das Christentum will die Welt nicht erhalten, will sie nicht pflegen, sondern will sie benutzen und ausnutzen, solange sie besteht und, besteht sie nicht mehr oder ist in Gefahr, so bedeutet das dem Christen, dass der Letzte Tag, nach dem er sich sehnt, nahe herbeigekommen ist und er wird keine Anstalten machen, diesen Prozess etwa zu verlangsamen. In dieser Angelegenheit sind Juden und Christen und auch die Muslime sich einig… und so erklärt sich vielleicht die Unbekümmertheit, mit der sie ihre Lebensgrundlage gegen die Wand fahren als ein Vollenden des Gotteswillens, heißt es doch: Gott braucht unsere Hände – er braucht sie auch für den Jüngsten Tag, denn er selbst hat, da nicht existent, natürlich keine.
Das soll gnostisch sein? Nein, das ist Gnostizismus, liebe Leute, das ist jene unselige Verquickung religiöser mit philosophischen Gedanken, mit deren Hilfe die frühe Christenheit versuchte, ihre Religion philosophisch „aufzupeppen“ und für Gebildete interessant zu machen. Besonders im griechischen Sprachraum ist ihr das auch weithin gelungen, eine Menge gnostizistischer Literatur ist uns aus diesem Raum erhalten geblieben und wenn wir von dieser Menge hochrechnen, so muss die Welt der römisch – hellenistischen Antike voll mit solchen literarischen Produkten gewesen sein, denn auf uns kam nur ein Bruchteil derselben. Gnosis indessen ist in dieser Beziehung sehr viel vorsichtiger, sie mahnt nicht, die Welt zu fliehen, sondern, was ein großer Unterschied ist, sich ihrer zu enthalten. Sie warnt vor dem, was ich Weltsucht genannt habe – sie warnt nicht vor der menschlichen Gesellschaft an und für sich. Im Gegenteil – sie rechnet geradezu mit ihr und ihren sozialen Strukturen, sie billigt ausdrücklich, dass der Erkennende sich in diesen bewegt und, was mehr ist, diese selbst bewegt. Weit davon entfernt, zur Revolution aufzurufen, was man ihr übrigens unter anderem auch nachgesagt hat, zielt sie auf die Umwälzung der existenziellen Parameter in jedem Einzelnen, was zwangsmäßig eine qualitative Veränderung der Gesellschaft[4] nach sich ziehen muss. Ein neuer Begriff von Menschheit zieht dann eine Neubewertung seines Umfelds nach sich, an die Stelle einer rücksichtslosen Ausbeutung nach der Anweisung: machet euch die Erde untertan tritt sodann das vernünftige Wirtschaften Derer, denen Sorge für einen Lebensraum anvertraut ist, der nicht ihrer ist, den sie aber auch nicht gegen die Wand zu fahren haben, sondern sie müssen ihn für künftige Generationen sichern. Ein „Endgericht“ kennt die Gnosis nicht und demzufolge auch keine Erlösungslehre, denn wovon sollte der Mensch erlöst werden? Von sich selbst und seiner „Göttlichkeit“? Sollte das Unvergängliche vom Unvergänglichen erlöst werden? Sollte eine Erde, die sowieso der Vergänglichkeit anheim gegeben ist, durch einen „göttlichen“ Gewaltakt zerstört werden müssen?
Aber die Gnosis fordert doch die Einsamkeit eines jeden? Irrtum, sie fordert seine Verantwortlichkeit, er soll für sich stehen können, sich auf keine Instanz, sei sie höher oder sonstwas, heraus reden müssen. Er soll wissen, was und warum er es tut oder lässt und er soll wissen, da ist niemand, der ihm Verantwortung abnehmen kann – kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun. Sie fordert seine geistige Unabhängigkeit als Grundlage seiner existenziellen Freiheit. Wenn wir uns die Menschheit heute betrachten, stellen wir hier ein entsetzliches Defizit fest; wir alle hängen mehr oder weniger bewusst an den Phantasien einer ihrer selbst völlig unbewussten Hochfinanzclique, die vor Selbstbeglückung die übrige Menschheit völlig vergessen hat – allenfalls ist sie ihr unbequem, wenn sie nämlich genehme Regierungen plötzlich abwählt oder bequeme Diktaturen beseitigt. Diese Abhängigkeit können wir wenigstens was unsere äußeren Umstände anbelangt nicht ohne weiteres abwerfen, aber wir können Distanz zu ihren Vorstellungen entwickeln und uns also aus der Weltsucht lösen, wenn auch nicht aus der Welt. Das ging den Menschen jener Zeit, da Gnosis als Gnosis begann, nicht anders, nur waren die Maßstäbe, in denen damals so gedacht wurde, ein wenig beschränkter. Aber auch sie lebten in Abhängigkeiten und was soll ich sagen, ein gewisses Maß an Abhängigkeit wird immer vorhanden sein, wo Menschen miteinander leben, denn niemand kann alles allein. Aber niemand, das ist die Kehrseite dessen, kann auch für alle handeln und denken. Demzufolge sind alle Weltbeglückungskonzepte bereits im Moment ihres Entstehens Makulatur.
Dennoch: der Gedanke: man müsste haben… ist keine Makulatur, solange er im Konjunktiv verbleibt und nicht zum Imperativ wird. Zum Indikativ, also zum aktuellen Geschehen kann er hingegen jederzeit werden, ja, wird er werden, wenn der Gedanke mit dem korreliert, was ohnehin zu geschehen hat. Zu seiner Zeit wird dieses „man müsste….“ dann Wirklichkeit werden, wie wir oft und oft selbst gesehen haben. Wir haben uns längst an diese Kreativität gewöhnt, andern steht die Gewöhnung daran noch bevor, aber solange sie ihrem eigenen Geist misstrauen, solange wird auch keines von den guten Dingen, die da vielleicht schon gedacht unterwegs sind, sich erfüllen können. Was sich im Moment erfüllt, sind eher Gedanken in der Richtung: wie komme ich aus der allgemeinen Korruption mit einigem Anstand hinaus. Daraus ergeben sich dann diverse Einzelaktionen, die alle für sich genommen, der Menschheit nichts bringen, weil sie nur auf einen einzigen Menschen zugeschnitten sind. Aber wer umfassender zu denken imstande ist und dann auch noch imstande ist, über den Tellerrand der eigenen Kultur hinaus zu sehen, kann Wunderdinge erleben…. irgendwann.
Halten wir fest: weltsüchtig müssen wir nicht mehr werden, wir sind es in großer Mehrheit von Geburt an. Weltflüchtig aber sollen wir nicht werden, denn kein Mensch kann und wird von uns verlangen, dass wir unsere Bedürfnisse aufgeben, solange sie nicht weltsüchtig sind, sondern unserer notwendigen Lebensführung entsprechen und die kann durchaus auch ein Automobil oder ein Haus oder eine ausgefeilte Kommunikationsmaschinerie enthalten. Wir müssen uns nicht auf trocken Brot und Wasser beschränken, nicht in Lumpen einhergehen und die Körperhygiene, zu der auch der Sex gehört, vernachlässigen. Im Gegenteil, wir sollen akzeptieren, „was man uns vorsetzt“ und kein ritualistisches Theater darum machen, wenn es für unsere Lebensführung nützlich ist. Sich selbst zu erkennen macht keine „Mucker“ und demütige Lakaien und nicht das, was aus dieser Welt in uns hinein gerät, besudelt uns, sondern das Falsche und Halbrichtige, das wir in diese Welt hinein geben, besudelt uns wie Erbrochenes, was es im übertragenen Sinne ja auch ist. Die Weltsucht der Anderen ist nicht zu fliehen, sondern zu verlachen, zu verspotten, denn nicht Wut noch Zorn können dieser Hydra gefährlich werden, sondern allein die Lächerlichkeit, gegen die es keine Waffen gibt.
Und da sind wir bei dem zweiten Vorwurf von Christen, der sich aus dem ersten ergibt: man hat uns vorgeworfen und wirft uns vor, dass wir die Güter dieser Welt mit einer Freiheit gebrauchen, die ihnen ihren ganzen Wert nimmt. Was sind da nicht für wüste Behauptungen unterwegs und, schlimmer noch, es gibt Vereinigungen, die sich mit dem Etikett der Gnosis schmücken, ordinären Gnostizismus betreiben und alle die obskuren Geschichten, welche die Amtskirche über die Gnosis umlaufen ließ und lässt, treulich glauben und üben. Nun wohl, wer es nötig hat, könnte man sagen und mit den Achseln zucken, wenn diese braven Okkultisten nicht den Ruf der Sache derart ruinieren würden. Denn die Geschichten stammen von Christen und womit haben Christen die meisten und größten Schwierigkeiten? Natürlich mit der menschlichen Sexualität und diese ist es dann auch vornehmlich, auf die sich ihre schmutzige Phantasie fokussiert.
Dabei ist etwas ganz anderes gemeint, wenn es um den freien Gebrauch aller Dinge geht. Es geht um die Überwindung jeder Berührungsangst, um das Respektieren menschlicher Schwächen und die Akzeptanz – angemessener – Wünsche. Man kann fragen, was angemessen wäre und man wird sehr verschiedene Antworten finden, aber dennoch mag es etliche Dinge geben, die niemals und niemandem angemessen sind. Der Mensch braucht seinen sicheren Lebensunterhalt – aber kein Mensch braucht das Tausendfache dessen, was ihn lebenslang bequem ernährt, behaust und kleidet. Der Mensch braucht seine Mobilität – aber niemand braucht ein Vielfaches dessen, was zu Lande, zu Wasser und in der Luft geeignet ist, ihn von A nach B zu befördern. Der Mensch braucht seine Kommunikation – aber niemand brauchtauf jedem Kontinent ein Kommunikationsnetz für sich ganz alleine. Der Mensch braucht Sicherheit – aber niemand braucht eine Privatarmee. Dies und dem Ähnliches also ist gemeint, wenn von unangemessenen Wünschen die Rede ist. Andererseits ist dem Gnostiker der Genuss eines guten Weines oder das Bewohnen eines komfortablen Hauses nicht verboten, sofern er beides ehrlich und auf anständige Weise erworben hat und anders wird er es kaum zu erwerben wünschen. Er ist nicht weltsüchtig, er lehnt diese Dinge nicht ab, aber er will sie auch nicht um jeden Preis haben. Er ist auch nicht weltflüchtig, er läuft nicht davon, wenn ihm jemand die nötigen Mittel schenken will, leibliche Armut ist nicht sein Ideal, wenn er auch damit zufrieden sein kann, nur das Nötigste zu besitzen. Und Einsamkeit … oh, das klingt, als sollte man alle guten und alten Freunde zur Tür hinauswerfen… aber nicht doch, liebe Freunde. Der Mensch bedarf der Welt und er bedarf der anderen Menschen, er braucht soziale Bindungen, braucht Liebe, braucht Nähe solange sein Leben auf Erden währt. Nur ein Narr kann ihm dies alles nehmen wollen… aber er sollte in seinem Innersten von alledem unabhängig sein und was er gibt freiwillig geben, was er empfängt aus freiem Willen empfangen. So wie mit seinen Mitmenschen sollte er auch mit den Gütern umgehen können, die in dieser Welt von Menschen erfunden wurden, um ihm nützlich oder auch erfreulich zu sein. Ich weiß, wie schwer es ist, zwischen Notdurft und Übermaß die Balance zu halten, ich weiß, wie gern und leicht der Mensch sich in Abenteuer stürzt und Risiken eingeht. Aber eben um diese Balance geht es um zwischen Weltsucht und Weltflucht erfolgreich zu navigieren, sich weder vom einen noch vom andern gefangen nehmen zu lassen. Das ist wie mit dem Alkohol, meine Freunde: nichts steht dagegen, hier und da ein Gläschen zu nehmen und es steht auch nichts dagegen, es das eine oder andere Mal „über den Durst“ zu tun. Aber alles steht dagegen, seinen Genuss zu einem Bestandteil des täglichen Lebens zu machen und ständig des Guten zu viel zu tun. Sich der Welt enthalten – das bedeutet nicht das zwanghafte Nein des Abstinenzlers, sondern es bedeutet die Freiheit dessen, der sich alles in dieser Welt offen hält, weil er keinem verfällt. Es bedeutet nicht die Armut aus Prinzip, der Reiche, der nicht in den Himmel[5] kommt, wurde nicht von Gnostikern erdacht, im Gegenteil, Erkenntnis mag Armut nicht. Aber sie meint einen anderen Reichtum als den, den man mit Geldeswert beziffern könnte… falls notwendig, kann dieser Reichtum darin inbegriffen sein. Sie meint den Reichtum dessen, der weiß, was er ist und warum er in dieser Welt lebt und der ihr gegenüber in Tun und Lassen frei ist. Denn – Weltsucht ist auch immer mit der Angst verbunden, das Notwendige zu verlieren und für viele Reiche bedeutet ihr Reichtum nur eine Absicherung um das zu erhalten, was nicht verloren gehen darf. Dass die unsicheren Zeiten, die sie um sich wahrnehmen zumeist auf ihren eigenen Übergriffen beruhen mit denen sie selbst das Ungleichgewicht geschaffen haben, vor dem sie sich nun fürchten, wird ihnen nicht oder nur sehr am Rande bewusst. Zudem wissen sie als Weltsüchtige nicht, wie sie Abhilfe schaffen könnten ohne sich selbst zu schaden. Man bedenke: diese Krankheit ist nicht anders beschaffen als die diversen Suchtkrankheiten, die auf dem Missbrauch von Genussmitteln beruhen.
Also – ein Gnostiker ist kein „Libertinist“ und sollte sich also auch nicht als ein solcher aufführen. Er ist aber auch durch nichts verpflichtet, ein Kostverächter zu sein und abseits zu stehen wenn andere sich freuen und feiern. Da er nicht fromm zu sein braucht, ist frommer Trübsinn seine Sache nicht. Da er diese Welt mit nüchternen Augen anschauen kann, ist aber auch der „Rausch des Vergessens“ nicht für ihn bestimmt. Er steht nicht über den Gesetzen seiner Kultur, aber ihm ist auch nicht geboten, ein Gesetz nur deshalb zu befolgen, weil es ein Gesetz ist. Unvernünftige Gesetze, die nicht im Interesse des Gemeinwohls sind, darf er wohl missachten. Frage: was ist im Interesse des Gemeinwohls? Erst einmal die grundlegenden Bestimmungen über die Integrität der Person und ihrer sozialen Bindungen. Dann die Festlegungen über die Integrität der Gedanken-, Informations- und Überzeugungsfreiheit, die Freiheit des Gewissens, die Unverletzlichkeit der Privatsphäre hinzu kommt ein Anspruch auf dieselbe. Die Freiheit kommt hinzu, sich im Dienste des Gemeinwesens und des Gemeinwohls selbst zu betätigen und für den eigenen Unterhalt in angemessener Weise zu sorgen. Für Behinderungen in all diesen Dingen werden Sanktionen angedroht und ausgesprochen und – selbstredend hat auch ein Gnostiker als Teil des Gemeinwesens Steuern zu zahlen und erst einmal nicht zu fragen, wofür sie denn verwendet werden. Darüber kann er bestimmen, indem er durch sein Handeln die Richtlinien der Politik mit beeinflusst. Also er wähle und lasse sich wählen, er habe Ämter inne und Ehrenämter, er engagiere sich wo immer ihm das zielführend erscheint oder er tue all das eben auch nicht. Er ist kein Teil der Welt, wohlan, aber die Welt der Menschen ist ein Teil von ihm und er ist sicher nicht allein, aber auch mit verantwortlich dafür, wie es mit den Mitmenschen weitergeht.
Der Mensch ist sich für gewöhnlich dieser Tatsache, dass er Mitverantwortung nicht nur für seinesgleichen, sondern für den Gesamtkomplex Erde trägt, nicht im Mindesten bewusst, er denkt vielmehr an „übersinnliche“ Mächte, die diese Erde geschaffen haben und auch fernerhin das Schicksal derselben und das der Menschen im Auge haben… weit gefehlt, sollte es dergleichen Mächte geben, interessieren sie sich für tausend Dinge, aber kaum für dies Staubkorn am Rande einer von unzähligen Galaxien in einem von ich weiß nicht wie vielen Universen. Es sind ja an die sieben Milliarden Wesenheiten in diesem Sektor präsent, sollen die doch zusehen – aber die haben Religion und sehen deshalb eben nicht zu und keinem Wesen war jemals klar, was Religion zu bedeuten habe. weil es kein einziges Wesen gibt, das einen Gott hätte; man hat nur Kameraden, nur seinesgleichen. Nur der Mensch hat sich ein solches Ding geschaffen… von ihm zu erwarten, was es nicht geben kann. Und wenn er nicht aus diesem Irrtum erwacht, steht er eines Tages inmitten der Trümmer, die einst seine Welt waren und wird ihnen nach zerfallen müssen. Er kann wählen – weltsüchtig sein und auf seinen Gott vertrauen oder weltflüchtig sein und vor seinen eigenen Taten Reißaus nehmen – oder er kann klug sein, auf seine Möglichkeiten achten und im übrigen nach der Goldenen Regel verfahren: was ich nicht will, dass man mir tu, das füg ich keinem Andern zu und dabei nicht nur an die Nachbarn und Nächsten, sondern an alles denken, was ihm auf seiner Erde als Mitlebendes beigegeben ist. Falls er meinen sollte, dass er dazu schon viel zu viel davon zugrunde gerichtet hat – nun wohl, kein Gott erlegt sich eine Arbeit auf, die zu leisten er nicht imstande ist also wird auch der Mensch, so schwer es ihm fällt, diese Arbeit tun können, falls er sich und sei es in letzter Minute, für die Vernunft entscheidet.
[1] legale Kriminalität bezeichnet hier den Bereich des Kommerz und der Politik, aber auch einen Teil des juristischen Bereichs, nämlich den, in dem das Strafrecht nicht wirksam ist, der aber dennoch dem Ethos der Humanität widerspricht indem er zum Beispiel von der Zanksucht des Menschen lebt.
[2] wobei dieser Konsum keineswegs großräumig sein muss; auch der Besitz Radios oder eines Fernsehgerätes ist in bestimmten Gesellschaften bereits ein Zeichen des gesellschaftlichen Etabliertseins gegenüber denen, die keines besitzen oder in anderen Umfeldern ist es der Gebrauch von Waschmitteln beim Wäschewaschen, der dem Gebrauchenden den Eindruck vermittelt, eine höhere Stufe der kommerziellen Zivilisation erreicht zu haben als sein Umfeld.
[3] In Deutschland betrifft dies vor allem den Boom der Windkraftanlagen. Man hat sich um ihretwillen von der Solartechnik verabschiedet, da diese von den Konzernen nicht profitabel genug verwertet werden kann. Geschädigt wird durch die WKA aber nicht nur die Gestalt der Landschaft, sondern auch die Vogelwelt und die Menge der maritimen Lebewesen. Durch den bei Betrieb derselben entstehenden Infraschall werden auf lange Sicht hin auch die Menschen selbst geschädigt werden.
[4] Aus dieser Wirkungsabsicht allein geht schon hervor, dass Gnosis kein Betätigungsfeld für abseitige, okkulte Zirkel sein kann.
[5] Der Gnosis geht es ja gar nicht darum, in den Himmel zu kommen….